Starb eine Familie aus Hamburg in Istanbul an einer Vergiftung durch ein Bettwanzen-Pestizid? Auch bei uns wird die in Verdacht stehende Substanz eingesetzt: Aluminiumphosphid. 

Was ist Aluminiumphosphid? 

Aluminiumphosphid ist ein gelbgraues Pulver, das weltweit als Pestizid eingesetzt wird und für Menschen lebensgefährlich ist. Das Pulver wird zu Tabletten oder Pellets gepresst und in Getreidesilos, Gewächshäusern, Flugzeugen und auf Schiffen zur Schädlingsbekämpfung ausgelegt.

Dabei macht man sich zunutze, dass der Stoff schnell mit Wasser und sogar mit Luftfeuchtigkeit reagiert und das hochgiftige und ätzende Gas Monophosphan freisetzt (auch Phosphan, Phosphin oder Phosphorwasserstoff genannt). Das ist das eigentliche Gift, das aus Ködern (gegen Nagetiere wie Ratten, Wühlmäuse oder Maulwürfe) entweicht;  sowie aus Tabletten und Pellets, die gegen Insekten wie Kornkäfer, Reiskäfer, Kakerlaken und auch gegen Bettwanzen zum Einsatz kommen – so wie möglicherweise in dem Hotel in Istanbul.

Welche Vorsichtsmaßnahmen sollte man beim Umgang mit diesem Pestizid beachten?

Weil das Phosphangas so giftig ist, müssen die zu begasenden Räume vorab komplett evakuiert werden (eventuell sogar die Nachbarhäuser). Oft werden sie mit gasdichter Folie versiegelt, damit sich das Gas innen konzentriert und nicht unkontrolliert nach außen strömt.

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Wer mit den Tabletten oder Pellets hantiert, sollte eine Atemschutzmaske tragen und das Gift nicht mit der Haut berühren. Hinterher muss gründlich gelüftet und gemessen werden, ob noch giftiges Gas in der Raumluft ist. Sollte Aluminiumphosphid tatsächlich in einem Hotel ausgebracht worden sein, in dem zu diesem Zeitpunkt Gäste untergebracht waren, wäre das skandalös.

Was macht Aluminiumphosphid im Körper?

Auch beim Verschlucken, Einatmen oder auf feuchter Haut oder Schleimhaut setzt das Pulver sehr schnell giftiges Phosphangas frei. Beim Einatmen wird es vor allem über die Lunge absorbiert und entfaltet im Körper viele Giftwirkungen: Es produziert aggressive Sauerstoffvarianten und behindert den Sauerstofftransport im Blut. 

Vor allem aber heftet sich Phosphan an viele Biomoleküle im Körper und blockiert deren Wirkung. Insbesondere hemmt es ein für den gesamten Energiestoffwechsel wichtiges Enzym, die Cytochrom-Oxidase, in unseren Zellen. Damit wird verhindert, dass der Körper sein wichtigstes Energiespeichermolekül Adenosintriphosphat (ATP) herstellen kann. Ohne dieses ATP fehlt dem Körper die Energie für praktisch alle Stoffwechselvorgänge, was wohl hauptsächlich für die tödliche Wirkung von Phosphan verantwortlich ist.

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Welche Symptome sind typisch für so eine Vergiftung?

Nach dem Verschlucken oder Einatmen von Phosphid oder Phosphangas können innerhalb von Minuten Symptome wie Husten, Atemnot, Kopf- und Bauchschmerzen, Erbrechen oder Schwindel einsetzen. 

Danach fällt oft der Blutdruck ab, man leidet unter Durchfall, Krämpfen, Herzrhythmusstörungen, schlimmstenfalls drohen Bewusstlosigkeit, Atemlähmung oder ein tödliches Herz-Kreislauf-Versagen, etwa durch ein Lungenödem (Wasseransammlung in der Lunge). 

Weitere Symptome treten erst nach etwa 24 bis 48 Stunden auf, etwa Schäden an Niere und Leber oder absterbendes Herzmuskelgewebe. Besonders empfindlich reagieren Kinder auf das Gift.

Hätte man nicht wissen können, wie hochgefährlich die Substanz ist?

Auf jeden Fall, denn weltweit sind viele schwere und auch tödliche Vergiftungsfälle mit Aluminiumphosphid und anderen Phosphangas freisetzenden Mitteln dokumentiert, etwa im Iran, in den USA und in Indien. 

2010 kamen in den USA zwei Kleinkinder (vier Jahre und 15 Monate alt) ums Leben, weil in der Nachbarschaft eine zu hoch dosierte Schädlingsbekämpfung durchgeführt wurde und das giftige Gas in ihr Haus eindrang. In Indien starb ein kleiner Junge, weil er mit seiner Familie in einem Raum geschlafen hatte, in dem Reissäcke mit Aluminiumphosphid-Pellets lagerten. Die hatten unbemerkt Phosphangas freigesetzt.

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Auch in Deutschland gab es zum Teil tödliche Zwischenfälle, sogar mit relativ kleinen Mengen Phosphan freisetzender Gifte: In Gummersbach wurden vor einigen Jahren 28 Menschen zur Beobachtung ins Krankenhaus gebracht, weil im Keller eines Mehrfamilienhauses das Giftgas aus Ködern gegen Nager ausgetreten war. 

Besonders tragisch endete Anfang 2022 der unsachgemäße Versuch einer Schädlingsbekämpfung durch einen Vater im Landkreis Aschaffenburg. Dabei kamen seine Kinder (4 und 5 Jahre alt) durch Phosphangas im eigenen Haus ums Leben.

Welche weiteren Unfälle mit Aluminiumphosphid gab es in Deutschland?

Aluminiumphosphid wird auch in Deutschland regelmäßig eingesetzt. Zum Beispiel zur Schädlingsbekämpfung in Getreidesilos. Immer wieder kommt es zu Unfällen, bei denen die hochgiftige Chemikalie eine Rolle spielt. Meist geschieht das durch unsachgemäße Lagerung, beim Verladen oder dem Transport per LKW auf Autobahnen. Daher unterliegt Aluminiumphosphid der Gefahrenverordnung im Straßen-, Bahn- und Schiffsverkehr. 

Einsatz bei einer Gefahrguträumung in Deutschland  © IMAGO/5VISION.NEWS/Armin Lerch / Imago Images

Neben seiner hohen Giftigkeit hat die Chemikalie eine weitere sehr gefährliche Eigenschaft: Bei Kontakt mit Wasser oder feuchter Luft bilden sie Gase, die sich spontan entzünden können. 

Im Dezember 2014 durchschlug ein Schadstofftransporter mit Aluminiumphosphid auf der A7 bei Göttingen die Mittelleitplanke und geriet auf die Gegenfahrbahn. Während der Bergungsarbeiten waren die Unfallstelle und die nahe gelegene ICE-Trasse stundenlang gesperrt. 

2017 stürzten bei einer Hamburger Schädlingsbekämpfungsfirma vier Fässer mit jeweils 200 Liter Aluminiumphosphid von einer Palette. Es gab einen Großeinsatz der Feuerwehr, um die Fässer zu sichern. Auf den umliegenden Straßen kam es durch Sperrungen zu massiven Störungen im Berufsverkehr.

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