Angefangen hat alles, als ich 51 Jahre alt war, mit starken Monatsblutungen, die auch schmerzhaft waren. Außerdem war ich ständig müde. Bei mir waren schon als junge Frau Myome festgestellt worden. Und die können stärkere Blutungen machen. Aber solche?! Ich wohne im 4. Stock. Am ersten Tag meiner Periode musste ich, kaum unten angekommen, einige Male gleich wieder nach oben rennen und den Tampon wechseln. Es gab Tage, da habe ich das Haus gar nicht verlassen.

Als ich mit diesem Thema zu meiner Frauenärztin ging, hat sie Blut abgenommen, einen Ultraschall gemacht und dann gesagt: "Bei Ihnen ist alles in Ordnung, solche Blutungen kommen vor und sind erst gefährlich, wenn der Eisenwert stark sinkt." Und dann: "Wenn Sie das stört, kann ich Ihnen etwas Pflanzliches geben." Das war ihr einziger Vorschlag. Ich habe also weiter mit XXL-Tampons gelebt und ständigem Checken, wo das nächste Klo ist, und nach ein paar Monaten musste ich mir dasselbe von ihr anhören. Da wusste ich: Ich brauche eine neue Ansprechpartnerin.

Faktencheck: Myome sind gutartige Muskelknoten in der Gebärmutter, die durch weibliche Geschlechtshormone wachsen. Viele werden zufällig gefunden, andere machen sich mit Beschwerden bemerkbar, wie eben starke, längere und schmerzhafte Perioden oder Verstopfung. Nach der letzten Blutung einer Frau, der Menopause, wenn die Östradiolproduktion der Eierstöcke versiegt, entstehen keine Myome mehr und vorhandene schrumpfen.

Es war dann wieder ein halbes Jahr später eine Nachbarin, die mir eine Praxis für gynäkologische Endokrinologie nannte, eine Frauenarztpraxis mit Schwerpunkt Hormone. Dort hat man mir endlich zugehört und mich ernst genommen. Wir versuchten dann noch über ein paar Monate hinweg, die Blutungen mit einer bestimmten Pille abzuschwächen. Schließlich hat mich die Ärztin in eine chirurgische Frauenklinik überwiesen, und mir wurde die Gebärmutter entfernt.

Endlich keine Blutungen mehr

Ich war heilfroh, dass die Blutungen endlich aufhörten und dachte: Jetzt geht es aufwärts. Aber es kam anders. Im Rückblick fing nun eine Zeit an, die ich nicht noch einmal erleben möchte und die mir schwerfällt zu beschreiben. 

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Am offensichtlichsten waren einzelne körperliche Symptome. Ich hatte zum Beispiel Schulterschmerzen, konnte mich nur schwer bewegen. Ich ging zum Orthopäden, der nichts finden konnte, mir aber Physiotherapie verordnete. Das zog sich über Monate hin, aber statt dass es besser wurde, kam es noch schlimmer: Wenn ich eine halbe Stunde am Rechner gesessen und gearbeitet hatte, fing mein ganzer Körper an, weh zu tun. Jedes Gelenk und alle Muskeln, so fühlte es sich an.

Das Schlimmste aber war, dass sich auch meine Stimmung veränderte: Ich hatte keinen Spaß mehr an meiner Arbeit und konnte mich auch sonst zu nichts mehr aufraffen. Alles, wirklich alles hat mich genervt. Und das habe ich auch an meinen Mitmenschen und Kollegen ausgelassen. 

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Meine Heilung Sie ist ständig schlapp, die Ärzte sind ratlos. Sind Bakterien im Hirn der Grund?

Außerdem war ich durchgehend erschöpft, saß stundenlang auf dem Sofa, habe geheult und an die Decke gestarrt. Als die neue Hülle für meine Kopfhörer kam, und aus dem Brief statt der bestellten grauen eine schwarze fiel, war das für mich ein Weltuntergang – ich brach in Tränen aus. Ich konnte nicht mehr und habe Jobs abgesagt, andere habe ich nicht fertig bekommen. Und irgendwann habe ich gar nicht mehr gearbeitet.

Ich habe immer gerne gekocht, für mich, für Freunde, und war immer kreativ, selbst wenn nur drei Zutaten im Haus waren. Jetzt stand ich ratlos im Supermarkt und habe an fünf Abenden hintereinander Tomatenbrot gegessen. Meine Freundinnen konnten es kaum glauben, wenn sie zu mir kamen und es nichts Gutes gab. Später haben sie gefragt, warum ich mich so zurückziehe. Ich konnte es nicht beantworten und habe mich auch selbst nicht wiedererkannt, wusste meine immer heftiger werdenden Beschwerden nicht zu deuten. Ich merkte nur, dass ich weiterhin nicht arbeiten konnte.

Burnout oder Wechseljahresbeschwerden?

Ob das wohl ein Burnout war? Mit dieser Vermutung bin ich zu meinem Hausarzt und habe ihm meine ganze Verzweiflung auf den Tisch gelegt: "Ich weiß nicht mehr weiter!", habe ich gesagt. Er daraufhin, schulterzuckend: "Ach, das wird wieder. Sie haben ja jetzt schon eine Arbeitspause gemacht." Und dann: "Krankschreiben wird nicht helfen, da Sie selbstständig sind. Wenn es in sechs bis acht Wochen nicht besser ist, dann können Sie sich gerne nochmal melden." Ich ging völlig verstört aus der Praxis raus, weil ich dringend Hilfe brauchte und sie einfach nicht bekam.

Jedenfalls nicht von Ärzten. Ob ein Coaching was verändern würde? Das habe ich in einer Einrichtung gemacht, die von der Stadt Hamburg gefördert wird und sich um psychische Gesundheit im Arbeitsleben kümmert. Aber auch nach den Sitzungen dort hab ich immer wieder die volle Verzweiflung gespürt. Das Einzige, womit ich mir selber helfen konnte, war, weiterhin keine Aufträge anzunehmen. Kein Geld zu verdienen, machte mir natürlich gleichzeitig eine Riesenangst.

Nachdem ich schon ein paar Monate nicht mehr im Job war, hatte ich einen weiteren Nachsorgetermin für die Gebärmutterentfernung, alle halbe Jahre fanden die statt. Und dieser Termin hat den Unterschied gebracht. "Wie geht es Ihnen?", fragte die Hormonspezialistin, und ich musste losheulen. Ich erzählte ihr, wie schlecht es mir geht und von meinem Gefühl, mich verloren zu haben. Sie hörte zu und sagte schließlich: "Ich denke, ich kann Ihnen helfen." 

Meine Heilung Fehldiagnose Epilepsie: "Warum sind die Ärzte nicht früher draufgekommen?"

Ich verließ die Praxis mit einem Rezept für ein "Östradiolgel", also für eine bioidentische Hormontherapie in den Wechseljahren. Dieses Stichwort war bis zu diesem Zeitpunkt noch kein einziges Mal gefallen, weder meine frühere Gynäkologin noch mein Hausarzt oder der Orthopäde hatten meine Beschwerden vor einem hormonellen Hintergrund betrachtet. Dabei war ich längst im Menopause-Alter, ja, ich war mit fast 55 sogar spät dran, nur wusste ich das damals eben auch nicht.

Faktencheck: Im Durchschnitt haben Frauen mit ca. 51 Jahren ihre letzte Blutung. Um diesen Zeitpunkt herum, im Schnitt ab etwa 45, kommt es zu massiven hormonellen Schwankungen. Dass diese nicht nur mit Hitzewallungen und Gereiztheit, sondern auch mit anhaltenden, massiven Stimmungsproblemen einhergehen können, ist lange bekannt. Und dass ein Therapieversuch mit Hormonen bei depressiven Frauen im entsprechenden Alter naheliegt, stand zum Beispiel schon vor über 20 Jahren im Ärzteblatt ("An Östrogene denken!"). Nur hat es sich nicht herumgesprochen – auch, weil in einer großen und bekannten Studie zu Beginn des Jahrtausends Hormone als gefährlich galten und kaum mehr verordnet wurden. Das hat sich verändert, selbst die Autoren der Studie wiesen schon vor Jahren darauf hin, die Ergebnisse seien falsch interpretiert worden. 

Weniger Nebenwirkungen durch bioidentische Hormone

Zudem kommen heute mit den bioidentischen Hormonen andere Wirkstoffe zum Einsatz. Diese gleichen zu 100 Prozent den Hormonen, die der Körper selbst herstellt und haben weniger Nebenwirkungen als die zuvor verwendeten Substanzen, insbesondere, wenn sie durch die Haut in die Blutbahn gelangen.

Auch Schulterprobleme, darunter die "Frozen Shoulder" und andere Gelenk- und Knochenschmerzen, können hormonell bedingt oder mitbedingt sein. Bei Frauen, die keine Gebärmutter mehr haben oder wegen einer Hormonspirale keine Blutungen, entfällt das Blutungsmuster als wichtiger Hinweis darauf, dass in den Eierstöcken bald nicht mehr jeden Monat ein Ei heranreifen wird. Das macht es nochmal schwieriger, Wechseljahressymptome als solche zu erkennen. In den vergangenen Jahren hat sich aber viel getan, damit Ärztinnen und Ärzte, aber auch die Patientinnen selbst, Beschwerden der hormonellen Umstellung zuordnen können. Zum Beispiel prägte die US-Medizinerin Vonda Wright den Begriff "musculoskeletal syndrome of menopause", zu deutsch etwa: Muskel- und Sklelettsyndrom der Wechseljahre.

Wechseljahresbeschwerden "Viele sind der Meinung, man müsste als Frau da durch. Furchtbar!"

Ingrid K.s starke Blutungen passen ebenfalls ins Bild: Anders als viele glauben, gehen die Wechseljahre zunächst nicht mit zu wenig Östradiol einher, im Gegenteil: Wenn die feine Abstimmung zwischen Eierstöcken und Gehirn aus dem Takt gerät, kann es passieren, dass mehrere Eibläschen auf einmal heranreifen, die alle Östradiol produzieren und für extrem hohe Spiegel sorgen. Und Östradiol führt dazu, dass sich die Gebärmutterschleimhaut aufbaut, ein "Zuviel" verstärkt darum die Monatsblutung. Nach der letzten Blutung produziert der Eierstock kein Östradiol mehr, der Wert ist dann dauerhaft niedrig.

Gynäkologin Dr. Katrin Schaudig, Präsidentin der Deutschen Menopause Gesellschaft, vermutet, dass ein großer Anteil der Frauen um die 50, die in Burnoutkliniken behandelt werden, zeitnah nach Hause gehen könnten, wenn sie Hormone nähmen. Aber natürlich können Frauen in den Wechseljahren auch einen Burnout oder eine Depression entwickeln, die nicht mit Hormonen besser werden. Und natürlich kann eine Frau auch sehr gut und ohne Stimmungsprobleme durch die Wechseljahre kommen.

Es dauerte dann gerade mal zwei Tage, da merkte ich, dass es mir besser geht. Ich konnte es kaum glauben! Nach etwa zehn Tagen setzte ich mich erstmals wieder an den Rechner. Das Gefühl, nach und nach wieder ich selbst zu sein, war und ist unbeschreiblich. Ich nehme jetzt seit über zwei Jahren die Hormone, inzwischen als Pflaster, und bin immer noch fassungslos darüber, wie lange es bis zu dieser einfachen Lösung gedauert hat. 100 Prozent meiner alten Form habe ich nicht zurück, aber die Lebensqualität und Freude sind wieder da. Vielleicht habe ich die optimale Dosierung immer noch nicht ganz gefunden. Oder es ist einfach das Alter. Das sind ja zwei Prozesse, die gleichzeitig laufen, das Älterwerden und die hormonelle Umstellung. Und was man welchem der Prozesse zuordnen kann, ist oft gar nicht so klar.

Faktencheck: Stand heute werden die Wechseljahre und ihre zahlreichen Symptome weder im Medizinstudium gelehrt, noch kommen sie in der Facharztausbildung Gynäkologie angemessen vor – diese findet in der Klinik statt, aber mit Wechseljahresbeschwerden gehen Frauen in die Praxen. Das will die Initiative #wirsind9millionen ändern. Eine weitere Forderung der Aktivistinnen ist ein Gesundheitscheck für Frauen 40 plus, der auch über mögliche Symptome der Wechseljahre aufklärt, wie er zurzeit vom Bayrischen Gesundheitsministerium entwickelt wird. Genau so ein Check wurde kürzlich für alle Frauen in Großbritannien beschlossen.

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