Das Gefühl ist magisch: ein Puzzlestück entdecken und es dem riesigen Bild des Weltwissens hinzufügen. Viele Wissenschaftler und Forscher kennen das: Selbst wenn sie lediglich eine winzige neue Erkenntnis haben, werden sie dadurch doch Teil der Menschheitsgeschichte, Teil des Fortschritts. Das Schöne: Man muss kein Wissenschaftler sein, um Wissenschaft zu betreiben und dieses Gefühl zu haben.

Citizen Science Wie ein Hobbyforscher eine neue Hummel-Art entdeckte
12 BilderJeder Bürger kann mitmachen bei Forschungsprojekten. Und nicht als Versuchskaninchen, sondern als Entdecker. Bürgerforscher. Sie fangen Mücken und senden sie an die Macher eines Mückenatlas. Sie dokumentieren an Nord- und Ostsee angeschwemmten Plastikmüll. Sie suchen auf den Fotos automatischer Kameras nach Wildtieren. Oder sie beobachten das Verhalten ihres Hundes anhand standardisierter Kriterien und helfen so, Hunde besser zu verstehen. Mehr als 160 Bürgerforschungsprojekte laufen derzeit, die Wissenschaftler aus allen Fachrichtungen in Deutschland ins Leben gerufen haben. Jeder Laie kann hier mitmachen und einen Beitrag zur Forschung leisten.
Citizen Science: Jedes Smartphone eine kleine Forschungsstation
In den vergangenen Jahren ist die "Citizen Science", wie der Zweig im englischsprachigen Raum genannt wird, enorm gewachsen. Kein Wunder: Dank der digitalen Vernetzung und vor allem der Ausbreitung von Smartphones hat jeder in gewisser Weise eine kleine Forschungsstation dabei, Kamera zur Dokumentation inklusive. Längst profitiert die seriöse Forschung davon; es gibt immer mehr Veröffentlichungen in Fachjournalen mit von Laien erhobenen Daten.
Die Bürgerwissenschaft eröffnet den Wissenschaftlern den Zugang zu Daten, die sie anders nicht sammeln könnten, nicht erheben könnten. Kein Forscherteam hätte die Zeit und das Personal, in ganz Europa Bodenproben zu nehmen und zu analysieren, sodass allmählich eine Karte des Bodenszustands in Europa entsteht.

Wissenschaft zu Hause Vögel zählen oder Schwarze Löcher erforschen: So kann jeder in der Freizeit zum Forscher werden
In vielen Bereichen wird Wissenschaft also erst durch Citizen Science möglich. "Wissenschaft ist wie eine große, aufwendige Expedition, eine Art Himalayaexpediion in das Land des Wissens. Viele sind daran beteiligt", schreibt Peter Finke, ehemaliger Professor für Wissenschaftstheorie an der Uni Bielefeld und Verfasser des Buches "Citizen Science: das unterschätzte Wissen der Laien".

Lernen Sie im Folgenden fünf spannende aktuelle Projekte aus Deutschland kennen – vielleicht ist ja eines so reizvoll, dass Sie selbst zum Bürgerforscher werden, wenn Sie es nicht ohnehin schon sind.
Die smarte Vogelbeobachtungsstation für meinen Garten
Im Projekt "Wie divers ist mein Garten?" können Bürgerinnen und Bürger smarte Futterstationen aufstellen, die mit Sensoren wie Kamera, Waage, Mikrofon und Umweltsensoren (z. B. Thermometer) ausgestattet sind. Sobald ein Vogel vorbeikommt, wird er automatisch erfasst, gezählt und – per KI oder Bildanalyse – einer Vogelart zugeordnet. Die Station erfasst außerdem Umweltdaten und sendet diese in Echtzeit zu einer Open Data Plattform. An einem Tag etwa besuchten 719 Vögel eine einzelne Station. Das Projekt weist auf das Potenzial von Gärten hin: Es wird geschätzt, dass die Fläche aller privaten deutschen Gärten in etwa der Fläche aller deutschen Naturschutzgebiete entspricht. Einziger Haken: Die smarte Futterstation bekommt man nicht geschenkt, es gibt lediglich eine Bauanleitung. Immerhin: Beim Bau und beim Aufstellen wird Unterstützung angeboten.
https://www.wiediversistmeingarten.org/de/
Die Vergangenheit bewahren
Gedenktafeln in und an Kirchen, an Friedhöfen und in Parks sind häufig der Witterung ausgesetzt. Das "Epitaphienprojekt Brandenburg" ruft dazu auf, Gedenktafeln oder kunstvolle Gedächtnistafeln in Kirchen, Kapellen, an Friedhofsmauern oder historischen Gebäuden in Brandenburg und Berlin zu fotografieren und zu verschriftlichen. Man überträgt die Inschriften in digital lesbaren Text. Auf diese Weise sichert das Projekt nicht nur historische Quellen. Die Inhalte werden von Historikern auch kulturgeschichtlich eingeordnet, so entsteht ein Denkmalregister und zugleich ein Forschungswerkzeug für die Sozialgeschichte.
https://www.bggroteradler.de/datenbanken/unsere-projekte-und-datenbanken/
Was macht mein Hund da?
Hundebesitzer aufgepasst: Die Universität Münster betreibt das Citizen Science-Projekt "WAU – Die Hundestudie to go!". Dabei laden sich Hundebesitzer eine App herunter und erfassen dann Verhaltensbeobachtungen ihres Hundes oder ihrer Hündin. Etwa, wie sie kreiselt (in welche Richtung), welches Bein beim Urinieren gehoben wird oder andere Seitenpräferenzen. Nach jeder Beobachtung geben die Bürgerforscher auch eine Einschätzung zum emotionalen Zustand des Hundes an. Das Ziel ist, Emotionen und Persönlichkeit bei Hunden besser zu verstehen und mögliche Verbindungen zwischen seitenspezifischem Verhalten und Stimmung zu erforschen.
https://www.wau-app.com/
Deutschland kartiert die Stechmücken
Das Projekt "Mückenatlas" gibt es schon seit 2012. Dabei fangen Bürgerinnen und Bürger Stechmücken – zum Beispiel mit Netzen oder Fallen oder durch das Einsammeln gefundener Exemplare. Sie konservieren die Mücken, etwa durch Trocknen oder Einfrieren, und senden sie an das Projekt. Die eingesandten Mücken werden bestimmt. Der Mückenatlas ergänzt klassische Mücken-Überwachungsprogramme durch die weite Verteilung von Einsendungen auch aus Gebieten, die wissenschaftlich schwer zugänglich sind. Damit dient er auch als Frühwarnsystem: Invasiv eingeschleppte Arten, die Krankheitserreger übertragen könnten, lassen sich frühzeitig erkennen. Das Projekt erfreut sich großer Beliebtheit: Allein in diesem Jahr wurden bisher mehr als 40.000 Mücken eingeschickt und analysiert. Das liegt vielleicht auch daran, dass vorgesehen ist, dass jeder Einsender Rückmeldung erhält über die eingesandte Mücke.
https://mueckenatlas.com/
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Auf der Suche nach Plastik
"Plastic Pirates – Go Europe!" ist eine europaweite Bürgerforschungs-Initiative, bei der vor allem Schulklassen und Jugendgruppen (etwa 10 bis 16 Jahre alt) aktiv werden. Dabei sucht sich eine Gruppe einen Uferabschnitt an einem Fluss, Bach, Kanal oder an der Küste aus und sammelt dort alle Müllstücke (Makroplastik) am Ufer, dokumentiert sie nach Vorgaben, zählt und kategorisiert sie. Außerdem sucht man nach Mikroplastik. Dazu nutzt man – wenn möglich – Netze mit einem Millimeter Maschenweite. Ziel ist es, die Plastikmüllbelastung in Deutschlands Gewässern zu erforschen.
https://www.plastic-pirates.eu/de
Wer sich weitere aktuelle Projekte anschauen möchte, wird auf mitforschen.org fündig, dort sind derzeit – Stand Oktober 2025 – mehr als 160 Citizen-Science-Projekte versammelt.
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