Wie wirkt Pink? Diese Frage stellte sich Alexander George Schauss bereits Ende der 1960er-Jahre. Der aus Hamburg stammende Wissenschaftler untersuchte die psychologischen und physiologischen Wirkungen der knalligen Farbe.
Seine Komposition „P-618“ soll einen beruhigenden Effekt auf aggressive Menschen haben. Schauss überzeugte im Jahr 1979 Gene Baker und Ron Miller, die Direktoren des Naval Correctional Facility in Seattle, eine komplette Zelle in diesem speziellen Pinkton zu streichen.
Die auffällige Farbe, später auch als Baker-Miller-Pink bekannt, reduzierte in einigen Tests kurzzeitig das Aggressionspotenzial der Gefangenen; seither gibt es vor allem in amerikanischen, Schweizer und auch deutschen Gefängnissen pinkfarbene Zellen zur Beruhigung von aufgebrachten Insassen. Mittlerweile gilt die Methode wissenschaftlich zumindest umstritten. Das Pink könne aggressive Männer auch zusätzlich provozieren, so Kritiker.
Was hat das Ganze nun mit der Farbgestaltung von Kinderzimmern zu tun? Zwar finden auch diese nach Fehltritten des Nachwuchses kurzzeitig als „Arrestzellen“ Verwendung, doch es geht vielmehr um das Farbkonzept. Das besteht immer häufiger aus Naturfarben, wie Beige, Sand oder irgendwas, dass an Latte Macchiato erinnert. Für Axel Buether eine bedenkliche Entwicklung.
Der Wuppertaler Farbforscher hält nichts vom Modetrend beigefarbener Kinderzimmer. „Ein stilles Kind braucht eher ruhige Farben, aber ein Zimmer ganz in Beige halte ich für problematisch“, erklärt der Leiter des Instituts für evidenzbasierte Farbpsychologie gegenüber der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“. Buethers Begründung: „Kinder brauchen Anregung. Farben sind dafür das einfachste Mittel. Bunte Töne machen sie neugierig und aktiv.“
Wer jetzt überlegt, das Zimmer seines Kindes neonfarben zu überstreichen – das ist auch nicht die Lösung. Man dürfe es nicht übertreiben, so Buether. „Ein grellbuntes Klassenzimmer führt etwa schnell dazu, dass die Lautstärke steigt und Unruhe einkehrt. Es geht darum, die richtige Balance zu finden. Oft probieren Kinder aber Farben aus, die Erwachsene sich gar nicht trauen würden.“ Doch gerade bei Babys und Kleinkindern entscheiden ja die Eltern, was an die Wände kommt – oder eben nicht.
Bei beigefarbenen Kinderzimmern denke Buether sofort an Eltern, „die auf keinen Fall etwas falsch machen wollen und es darum ganz sein lassen mit der Farbe“. Viele Menschen fürchten, bei Farben etwas falsch zu machen. Diese Unsicherheit komme auch daher, dass lange wenig erforscht gewesen sei, wie Farben wirken und was sie über die Menschen verraten, die sie auswählen.
Klassische Farben in konservativen Haushalten
Beige und andere Naturtöne seien derzeit im Trend, so Buether weiter: „Man könnte sie auch als Achtsamkeitsfarben bezeichnen. Sie wirken ruhig, gesund, unaufdringlich und sind inzwischen in vielen Wohnungen angekommen.“ Farben hätten zudem nicht nur mit Persönlichkeit zu tun, sondern auch mit der Zugehörigkeit zu einem kulturellen Milieu: „In meinem Farbweltenmodell entspricht Beige dem naturverbundenen Farbmilieu. Wer zu Natur- und Biofarben greift, kann in Zeiten der Klimakrise auch eine Haltung signalisieren.“
In konservativen Haushalten dagegen seien oft gedeckte, klassische Farben zu finden: Grau, Braun, Dunkelgrün oder Bordeaux: „Sie stehen für Beständigkeit und Tradition.“ Das entspreche zudem einem „bewahrenden Farbmilieu, das Werte wie Sicherheit, Ordnung und Verlässlichkeit betont“.
Beim Blick über die eigene Wohnung hinaus riet der Farbforscher zu bunten Fassaden. Diese könnten Identität schaffen in einem Viertel und ein Gemeinschaftsgefühl fördern: „Monotone Wohnsiedlungen können dagegen das Gefühl von Anonymität erzeugen und Menschen unsichtbar machen.“
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