Lapidar gesagt: Es gibt ein Erbrecht, aber kein Recht auf Erbe. Und das ist der Knackpunkt: Im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) ist festgelegt, dass nicht nur Eltern für ihre Kinder haften, sondern auch Kinder für ihre Eltern. Und zwar dann, wenn diese pflegebedürftig werden und ihr eigenes Einkommen, ihre Rente und/oder ihr Vermögen nicht ausreichen, um die Kosten zu decken. Allerdings haften die Kinder nur dann, wenn ihr jährliches Bruttoeinkommen höher als 100.000 Euro ist. Zum Bruttoeinkommen zählt nicht nur das Jahresgehalt, sondern auch Mieteinkünfte oder andere Kapitaleinkünfte wie etwa Zinsen. Kurz: all jene Einkünfte, die im Steuerbescheid aufgeführt sind. Das ist im sogenannten "Angehörigen-Entlastungsgesetz" geregelt, das seit 2020 gilt.
Werner Weiss, Vorstandsmitglied der Rechtsanwaltskammer München und Familienrechtler in Augsburg, erklärt: "Pflegekosten werden zunächst aus staatlichem Pflegegeld gedeckt, zum Zweiten aus den eigenen Renteneinkünften der pflegebedürftigen Eltern. Und erst dann werden die leiblichen Abkömmlinge, also Kinder und Adoptivkinder, in Anspruch genommen." Jedoch keine Schwiegersöhne oder Schwiegertöchter. Und die leiblichen Kinder werden auch erst dann zur Kasse gebeten, wenn das Vermögen der Pflegebedürftigen aufgebraucht ist – bis auf einen kleinen sogenannten Schonbetrag, der derzeit bei 10.000 Euro liegt.
Vermögen und verschenkte Immobilien
Konkret heißt das beispielsweise: Die pflegebedürftige alte Dame muss zunächst an ihr Erspartes – und ihr Haus oder ihre Wohnung verkaufen. Aber auch hier gibt es eine Ausnahme, dann muss die Immobilie nicht verkauft werden: Wenn in der Immobilie noch der Lebensgefährte lebt, erklärt Anwalt Werner Weiss. Wer sich etwa als älterer Mensch davor schützen möchte, dass das eigene Haus womöglich verkauft werden muss, um Pflegekosten zu zahlen, kann diese Immobilien seinen Kindern rechtzeitig überlassen oder schenken. Aber auch hier gibt es wieder eine Ausnahme: Diese verschenkten Immobilien können vom Staat bis zu zehn Jahre lang zurückgefordert werden. "Der Hintergrund ist: Es soll nicht alles zulasten der Sozialkassen gehen", sagt Weiss. So soll verhindert werden, dass jemand trickst und sagt: "Meine Mutter geht in drei Monaten ins Pflegeheim, also lasse ich mir noch schnell das ganze Eigentum überschreiben und sage: Ätsch, jetzt soll die Sozialhilfe einspringen."
Da hilft nur vorausschauend handeln: Wer sein Vermögen ohnehin an die Kinder übertragen will, sollte dies rechtzeitig tun und sich ein Nießbrauchsrecht vorbehalten, erklärt der Anwalt: Dann hätten die Eltern weiterhin das Wohnrecht oder/und die Mieteinnahmen.
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