Wo lange Natur war, schießen Städte aus dem Boden: In vielen Ländern des globalen Südens zieht es die Bevölkerung in Städte, die dadurch rapide wachsen. Das hat drastische Folgen, wie eine im Fachmagazin „Nature“ erschienene Studie zeigt.

In kaum einem Land der Welt wachsen die Städte so schnell wie in der Demokratischen Republik Kongo. Durch natürliches Bevölkerungswachstum und Landflucht steigt die Bevölkerungszahl in Großstädten wie Kinshasa rasant. Allein die Hauptstadt hat ihre Einwohnerzahl in nur zwei Jahrzehnten von 8,5 Millionen auf heute rund 17 Millionen verdoppelt.

Doch das schnelle Wachstum bringt Probleme mit sich: Es gibt kaum Infrastruktur und keine ausreichende Stadtplanung. Neue Viertel entstehen auf ungesichertem Boden, Vegetation verschwindet und die Bodenversiegelung durch Straßen und Häuser verhindert das natürliche Versickern von Regenwasser. So bilden sich zunehmend riesige Erosionsschluchten mitten in Wohngebieten.

Im Schnitt sind die sogenannten „Urban Gullies“ rund 250 Meter lang und über 30 Meter breit. Für die Untersuchungen hat das kongolesisch-belgische Team um Matthias Vanmaercke, Guy Ilombe Mawe und Eric Lutete Landu – unter anderem von der Universität Löwen – Satellitenbilder aus 26 Städten der Demokratischen Republik Kongo ausgewertet.

Das Ergebnis: Aktuell gibt es in diesen Städten insgesamt 2922 urbane Schluchten, vor allem in den ärmeren Stadtteilen. Historische Luftaufnahmen zeigen, dass es in den 1950er-Jahren, also vor der Bebauung, nur 46 waren. Und nicht nur die Anzahl der Schluchten wächst, auch ihr Ausmaß: 99 Prozent, also fast alle, sind in den Jahren zwischen 2004 und 2023 größer geworden.

Mittlerweile haben die Urban Gullies im Kongo eine Gesamtlänge von 739 Kilometern – etwa die Strecke von Hamburg nach München. Und auch viele Menschen im Umkreis sind betroffen: „Zwischen 2004 und 2023 wurden schätzungsweise 118.600 Menschen in der Demokratischen Republik Kongo durch diese urbanen Schluchten vertrieben“, schreiben die Forscher. Die sich immer weiter ausbreitenden Erosionsgebiete vernichten Häuser, Straßen und fordern bei starken Regenfällen häufig Todesopfer.

„Der gesamte globale Süden urbanisiert sich rasch, und die Ausdehnung von Städten ohne angemessene Stadtplanung kann das Risiko der Bildung von städtischen Schluchten erhöhen“, warnen die Geologen.

Stadtwachstum im Globalen Süden

Überall dort, wo auf sandigem und erosionsanfälligem Boden gebaut, Flächen durch neue Straßen versiegelt und Vegetation entfernt wird, steigt die Gefahr. Denn im tropischen Klima kann das Wasser zur Regenzeit nicht mehr richtig versickern oder ablaufen. Dazu kommt, dass viele der Gebiete über keine oder unzureichende Wasserspeicher- oder Entwässerungsanlagen verfügen. Mit Extremwetterereignissen wie Starkregen beschleunigt der Klimawandel die Erosion und Einsenkung des Bodens zusätzlich.

Um weitere Schäden zu vermeiden, soll die Ausbreitung der Schluchten durch Stabilisierung ihrer Ränder gestoppt werden. Aber: „Die Kosten für die Stabilisierung einer einzigen Schlucht können leicht eine Million US-Dollar übersteigen“, so die Studie. Angesichts dessen scheint ein wesentlich praktikablerer Ansatz zu sein, solchen Schäden vorzubeugen. Die Autoren fordern deswegen „ganzheitliche Ansätze, die sowohl strukturelle als auch vegetative Maßnahmen zum Auffangen, Speichern und sicheren Ableiten des Wassers kombinieren“.

Mit der Studie hofft das Team, auch dem Mangel an verlässlichen Daten ein Stück weit entgegenzuwirken. Denn klar ist: Ohne vorausschauende Stadtplanung wird sich das Problem weiter verschärfen – und in den wachsenden Metropolen des Globalen Südens könnte den Menschen buchstäblich der Boden unter den Füßen wegbrechen.

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