Die Zahlen zeigen: In den vergangenen Jahrzehnte haben Übergewicht und Adipositas dramatisch zugenommen, weltweit. Eine im März 2025 im Fachblatt „The Lancet“ veröffentlichte, internationale Studie kam zu dem Schluss, dass bis zum Jahr 2050 sechs von zehn Erwachsenen sowie drei von zehn der Heranwachsenden übergewichtig sein könnten.
Eine neue Studie liefert jetzt weitere Belege für einen lang gehegten Verdacht, was hinter dieser Entwicklung stecken könnte. Das Team von Ernährungsforschern des University College London berichtete über ihre Ergebnisse im Fachblatt „Nature Medicine“. Das Ergebnis: Hochverarbeitete Lebensmittel scheinen das Abnehmen selbst bei optimalen Nährwerten im Vergleich zu natürlicheren Lebensmitteln zu erschweren.
Dafür untersuchten sie zwei Gruppen von Menschen, die sich über einen längeren Zeitraum entweder nur mit hoch verarbeiteten Lebensmitteln oder mit weniger verarbeiteten Lebensmitteln. Unabhängige Forscher hoben die saubere Methodik der Arbeit hervor.
Zu hoch verarbeiteten Lebensmitteln zählen nach Definition der Gruppe etwa fertige Speisen wie Müsliriegel oder Tiefkühl-Lasagne. Zu den damit verglichenen minimal verarbeiteten Lebensmitteln gehören Gerichte wie hausgemachte Spaghetti Bolognese oder Overnight Oats, also über Nacht eingeweichte Haferflocken.
Ein Teil der 55 übergewichtigen Erwachsenen, die an der Studie teilnahmen, ernährte sich acht Wochen lang von hoch verarbeiteten Lebensmitteln und in einem zweiten Teil der Studie acht Wochen lang von minimal verarbeiteten Lebensmitteln – der andere Teil in umgekehrter Reihenfolge. Zwischen den beiden achtwöchigen Phasen gab es eine zweiwöchige Pause, in der alle sich so ernährten wie sonst auch.
Dabei gab es gleich mehrere Besonderheiten: In beiden Fällen orientierte sich die Lebensmittelgabe an den offiziellen Empfehlungen der britischen Regierung für eine gesunde Ernährung („Eatwell Guide“). Von den Nährwerten her war also in beiden Fällen eine ausgewogene Ernährung mit Proteinen, Kohlenhydraten, gesättigten Fetten und den empfohlenen Mengen an Obst und Gemüse gewährleistet.
Die Lebensmittel wurden den Probanden nach Hause geliefert. Diese sollten davon essen, so viel, wie sie wollten. Bis auf die zur Verfügung gestellte Nahrung änderte sich ihr Alltag nicht – also etwa im Blick auf das Umfeld oder übliche Aktivitätslevel. Zwischendurch fanden Befragungen statt.
Richtige Ernährung verringert Übergewicht
Die Teilnehmer erfuhren nicht vorab oder während des Untersuchungszeitraums, dass es in der Studie ums Abnehmen ging. Sie unternahmen also keine gezielten Anstrengungen, weniger zu essen.
Das Ergebnis: Die meisten Teilnehmer verloren Gewicht – in beiden Phasen. Die Forscher mutmaßen, dass dies an der Orientierung an den Leitlinien für eine gesunde Ernährung lag. Mit Blick auf den Verarbeitungsgrad der Lebensmittel ließ sich jedoch ein signifikanter Unterschied feststellen: Bei der natürlicheren Ernährungsweise verringerten die Teilnehmer ihr Gewicht im Schnitt um 2,06 Prozent, im Zeitraum mit hoch verarbeiteten Lebensmitteln waren es nur 1,05 Prozent.
Eine Verringerung um zwei Prozent möge „nicht besonders viel erscheinen“. Aber das sei nur über einen Zeitraum von acht Wochen und „ohne dass die Menschen aktiv versuchen, ihre Aufnahme zu reduzieren“, erklärt Erstautor Samuel Dicken. Wenn man die Ergebnisse auf ein ganzes Jahr hochrechne, zeige sich: Bei einer Ernährung mit minimal verarbeiteten Lebensmitteln wäre bei Männern eine Gewichtsreduktion von 13 Prozent und bei Frauen von neun Prozent zu erwarten.
Dagegen würde sich bei einer Ernährung mit hoch verarbeiteten Lebensmitteln nur eine Gewichtsreduktion von vier Prozent bei Männern und fünf Prozent bei Frauen ergeben. „Mit der Zeit würde sich dies zu einem großen Unterschied entwickeln“, sagt Dicken.
Der größere Gewichtsverlust resultierte den Forscher zufolge unter anderem aus einer Verringerung der Körperfettmasse, ohne dass sich die Muskelmasse veränderte. Die Ernährungswissenschaftler sehen darin eine Entwicklung hin zu einer gesünderen Körperzusammensetzung. Außerdem hatten die Teilnehmer nach eigenen Angaben signifikant weniger Heißhungerattacken und konnten diesen besser widerstehen – wenn sie weniger verarbeitete Lebensmittel aßen.
Der nicht an der Studie beteiligte Ernährungsmediziner Mathias Fasshauer von der Universität Gießen lobt die Arbeit. Er hob positiv hervor, das britische Studiendesign sei so angelegt, dass sich die beiden Probandengruppen „ausschließlich im Verarbeitungsgrad der Lebensmittel unterschieden“.
Er fügt hinzu, dass sich mittlerweile „in erdrückender Weise“ die Hinweise dafür verdichteten, dass „hoch verarbeitete Lebensmittel der maßgebliche Treiber“ für die weltweite Zunahme von Adipositas und deren Folgeerkrankungen in den vergangenen 50 Jahren seien.
Der Ernährungswissenschaftler Gunter Kuhnle von der britischen Universität Reading – ebenso nicht in die Studie involviert – lobte ebenfalls die Methodik. Er merkt aber an, dass für die Vielzahl an Parametern, die einbezogen wurden, die Teilnehmerzahl eigentlich zu klein gewesen sei. Zudem seien die Forscher auf die Zuverlässigkeit ihrer Teilnehmer angewiesen gewesen.
Chris van Tulleken, einer der beteiligten Londoner Studienautoren, sieht die großen Lebensmittelkonzerne und die Politik in der Verantwortung: Vergleichsweise ungesunde Lebensmittel seien derzeit durch ihre breite Verfügbarkeit zu günstigen Preisen für viele die einfachste Wahl. Die Ergebnisse unterstrichen die Notwendigkeit, den politischen Fokus weg von individueller Verantwortung und hin zu anderen Ursachen von Fettleibigkeit zu verlagern – wie beispielsweise dem Einfluss multinationaler Lebensmittelkonzerne.
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