Nach monatelangen Tests und Kalibrierungen hat das neue „Vera C. Rubin“-Observatorium auf dem Cerro Pachón in Chile erste spektakuläre Bilder aus dem Weltall geliefert. Eine Aufnahme zeigt den Trifidnebel und den Lagunennebel, die Tausende Lichtjahre von der Erde entfernt in der Milchstraße liegen. Auf einem zweiten Bild sind unter anderem zwei Spiralgalaxien des Virgo-Clusters zu sehen, der sich etwa 50 Millionen Lichtjahre von der Erde außerhalb der Milchstraße befindet.
Das US-Observatorium verfügt neben einem Großteleskop mit einem 8,4 Meter großen Hauptspiegel auch über die größte jemals gebaute Digitalkamera mit einer Auflösung von 3.200 Megapixeln. Die Universität Heidelberg und das Max-Planck-Institut für Astronomie beteiligen sich an der Softwareentwicklung.
Die Kamera – die den Namen „Legacy Survey of Space and Time“ trägt, was auf Deutsch etwa „Vermächtnis-Durchmusterung von Raum und Zeit“ bedeutet – wird in den kommenden zehn Jahren Nacht für Nacht etwa tausend Bilder des Südhimmels machen und am Ende den gesamten einsehbaren Himmel etwa 800 Mal abbilden. Dabei soll ein riesiger Datensatz mit knapp 40 Milliarden Himmelsobjekten entstehen, darunter Sterne der Milchstraße und ferne Galaxien.
Mehr Daten übers Universum als alle Teleskope zusammen
Das entspricht täglich einer Datenmenge von 20.000 Gigabyte. Undenkbar also, dass menschliche Astronomen all diese Aufnahmen betrachten oder diesen gewaltigen Datenberg analysieren. Selbst gewöhnliche Computerprogramme wären hier überfordert. Eine zentrale Rolle spielen deshalb fortschrittliche Algorithmen wie neuronale Netze und maschinelles Lernen bei der Suche nach Auffälligkeiten – also nach Mustern oder Veränderungen – in den Daten.
„Das Rubin-Observatorium wird mehr Informationen über unser Universum erfassen als alle optischen Teleskope in der Geschichte zusammen“, sagte der geschäftsführende Direktor der US National Science Foundation, Brian Stone, bei der Vorstellung der ersten Bilder. „Durch diese bemerkenswerte wissenschaftliche Einrichtung werden wir viele Geheimnisse des Kosmos erforschen, einschließlich der Dunklen Materie und der Dunklen Energie, die das Universum durchdringen.“
Wissenschaftler wollen mit dem Observatorium zudem Asteroiden orten, die sich der Erde nähern und damit potenziell eine Gefahr darstellen. Weitere Forschungsschwerpunkte werden die Kartierung der Milchstraße sowie die Beobachtung kurzlebiger Phänomene wie Sternexplosionen und die Einverleibung von Sternen durch supermassereiche Galaxien sein.
„Die Entdeckungen könnten zur Entstehung ganz neuer Bereiche der Astronomie führen“, sagt Adam Miller von der Northwestern University in den USA. „Sehr wahrscheinlich wird Rubin Dinge finden, von deren Existenz jetzt noch niemand etwas ahnt.“
Eduardo Bañados vom Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg will anhand der gelieferten Bilder sehr junge Galaxien mit schwarzen Löchern im Zentrum untersuchen, die noch wachsen. „Das sind die Galaxien, die existierten, als das Universum noch ein Baby war – jünger als eine Milliarde Jahre.“ Bislang ist es Forschern ein Rätsel, warum diese jungen Galaxien schon schwarze Löcher mit einer beträchtlichen Masse aufweisen. „Es ist, als hätten wir ausgewachsene Erwachsene im Kindergarten entdeckt“, sagt Bañados.
Was das neue Rubin-Teleskop erforschen soll
Allein fünf Millionen neue Asteroiden hoffen die Himmelsforscher in der Region zwischen Mars und Jupiter, dem Asteroidengürtel, aufzuspüren. Derzeit sind dort 1,4 Millionen bekannt. Hinzu kommen mehrere Hunderttausend Asteroiden auf anderen Bahnen. Manche dieser Objekte können sich der Erde nähern und stellen deshalb potenziell eine Gefahr dar. Die Forscher hoffen, die Zahl der bekannten erdnahen Asteroiden um das Zehnfache zu steigern und so immerhin 70 Prozent der gefährlichen Objekte mit Größen oberhalb von 140 Metern zu erfassen.
Und auch das äußere Sonnensystem jenseits der Neptunbahn soll mit dem „Vera Rubin Observatory“ einer gründlichen Inventur unterzogen werden. Dort schwirrt eine große Zahl eisiger Objekte herum, darunter auch fünf Zwergplaneten wie Pluto, die sich seit der Entstehung des Sonnensystems vor 4,5 Milliarden Jahren kaum verändert haben. Die Erforschung dieser fernen Eiswelten könnte den Astronomen neue Erkenntnisse über die Frühzeit des Sonnensystems liefern.
Bislang kennen die Wissenschaftler etwa 3300 solcher transneptunischen Objekte. Mit dem neuen Teleskop und seiner hochwertigen Kamera hoffen sie, diese Zahl auf 37.000 zu erhöhen. Darunter könnten sich dann auch weitere Zwergplaneten ähnlicher Größe wie Pluto befinden. Oder sogar „Planet 9“, ein weiterer großer Planet, über den in der Himmelsforschung seit Jahrzehnten spekuliert und gestritten wird.
Aber so spektakulär die von den Forschern erwarteten Entdeckungen in unserem Sonnensystem auch sein mögen – es ist nicht die einzige und nicht einmal die ursprünglich angedachte Aufgabe des neuen Teleskops. Die ersten Ideen für ein großes Teleskop zur Himmelsdurchmusterung kursierten bereits Anfang der 1990er-Jahre. Damals stand als Ziel die Enträtselung der mysteriösen Dunklen Materie im Zentrum des Vorhabens.
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