Es ist ein Fall wie aus einem Historienkrimi - nur dass er sich tatsächlich vor fast 700 Jahren zugetragen hat: Der Priester John Forde wurde im Jahr 1337 auf offener Straße nahe der St. Paul's Cathedral in London ermordet - offenbar im Auftrag einer adligen Frau, die zuvor öffentlich von der Kirche gedemütigt worden war. Das legt ein Forschungsteam unter Leitung der britischen Universität Cambridge nahe, das mittelalterliche Tötungsdelikte systematisch aufarbeitet. Die neue Analyse ist im Fachjournal „Criminal Law Forum“ erschienen.
„Wir haben es hier mit einem Mord zu tun, der von einer führenden Figur des englischen Adels in Auftrag gegeben wurde. Er war geplant und kaltblütig - ausgeführt von einem Familienmitglied und engen Vertrauten, was stark auf ein Rachemotiv hindeutet“, sagte Projektleiter Manuel Eisner vom Institut für Kriminologie der Universität Cambridge.
Der Mord an Forde ist Teil der „Medieval Murder Maps“, einem digitalen Kartenprojekt, das hunderte Gewaltverbrechen im England des 14. Jahrhunderts aufarbeitet. Die Forscherinnen und Forscher stützen sich auf sogenannte „coroners’ rolls“ - lateinische Berichte von Geschworenen über plötzliche oder unnatürliche Todesfälle. In diesem Fall führten die Spuren zu einer bemerkenswerten Frau: Ela Fitzpayne.
Affäre mit einem Priester und ein öffentlicher Pranger
Fitzpayne war demnach nicht nur eine Adelige, sondern auch in dunkle Machenschaften verstrickt. Sie unterhielt eine Affäre mit dem Geistlichen John Forde, dem Pfarrer eines Dorfs, das auf dem Land ihrer Familie lag. 1332 schrieb der damalige Erzbischof von Canterbury, Simon Mepham, an den Bischof von Winchester und warf Ela Fitzpayne zahlreiche sexuelle Beziehungen vor - „mit Rittern und anderen unverheirateten wie verheirateten Männern, und sogar mit Geistlichen im heiligen Amt“.
Zur Strafe wurde sie exkommuniziert, durfte keinen Schmuck mehr tragen und sollte sieben Jahre lang jeden Herbst barfuß mit einer vier Pfund schweren Wachskerze durch das Kirchenschiff der Kathedrale von Salisbury laufen - ein öffentlicher Akt der Buße, der sie als Frau von Rang zutiefst entehren sollte. Forde hingegen blieb von kirchlichen Strafen offenbar verschont.
„Der Erzbischof verhängte eine harte, demütigende öffentliche Buße über Ela - eine Strafe, die sie offenbar nicht anerkannte, die aber durchaus einen Rachedurst ausgelöst haben könnte“, so Eisner. „Nicht zuletzt, weil John Forde sich dem Zugriff der Kirche entziehen konnte.“
Vom Liebhaber zum Verräter
Hinzu kommt: Jahre vor dem Mord waren Fitzpayne, ihr Ehemann Robert und Forde wegen eines gemeinsamen Verbrechens angeklagt worden. Laut den Dokumenten raubte das Trio 1321 ein Benediktinerkloster aus, zerstörte Gebäude, fällte Bäume und trieb dutzende Rinder, Schweine und Schafe zum Familiensitz.
„John Forde hatte möglicherweise geteilte Loyalitäten“, wird Eisner in einer Mitteilung zitiert. „Eine gegenüber der Familie Fitzpayne, die wahrscheinlich Gönner seiner Kirche war und ihm die Position verschafft hatte. Und die andere gegenüber den Bischöfen, die als Geistliche die Autorität über ihn hatten.“
Das Forschungsteam vermutet, dass Forde aus Angst oder Opportunismus seine Affäre mit Ela gestand - und so ihre Demütigung durch die Kirche auslöste. Eisner kommentierte: „Öffentliche Erniedrigung kann Gift sein - sie erzeugt Wut und Scham, die sich mit der Zeit in Gewaltlust verwandeln. Im Fall Ela Fitzpayne dürfte dies Motivation für ein Attentat geworden sein.“
Mord auf offener Straße - ein Zeichen der Macht
Am 3. Mai 1337 kam es zur Tat: John Forde ging nach dem Abendgebet mit einem Mitpriester über die belebte Straße Cheapside, als ihn vier Männer angriffen. Hugh Lovell, Ela Fitzpaynes Bruder, schnitt ihm mit einem Dolch die Kehle durch, während zwei ehemalige Bedienstete der Fitzpaynes ihn in den Bauch stachen. Der Mord geschah bei Tageslicht, mitten unter Passanten.
„Die Art der Tötung - öffentlich, brutal, symbolisch - erinnert an politische Morde, wie wir sie heute aus Ländern wie Russland oder Mexiko kennen. Es geht um eine Machtdemonstration“, so Eisner.
Westcheap, der Tatort, war laut dem Cambridge-Projekt ein regelrechter Hotspot für Gewalt im mittelalterlichen London. Dort trafen sich Kaufleute, Handwerker und Gildenmitglieder - auch zuweilen mit den Fäusten. Neben spontanen Streitereien gab es dort auffallend viele Rachemorde.
Die Geschworenenjury zum Mord an Forde bestand aus 33 Männern - ungewöhnlich viele, was auf die Brisanz des Falls hinweist. Zwar wurden die Täter namentlich benannt, doch vermeintlich niemand wusste, wo sie sich aufhielten. „Ein Haushalt des Hochadels - und angeblich kennt niemand ihren Aufenthaltsort. Das ist kaum glaubwürdig“, kommentierte Eisner. „Typisch für die klassenbasierte Gerechtigkeit jener Zeit.“
Nur ein Täter wurde Jahre später angeklagt und ins Gefängnis gesteckt. Ela Fitzpayne selbst blieb unbehelligt, ebenso wie ihr Ehemann Robert, mit dem sie bis zu dessen Tod 1354 verheiratet blieb. Sie erbte sein gesamtes Vermögen.
Erpressung, Sex und Rache
Die Online-Veröffentlichung der Ermittlungsakten, Briefe und eine Podcast-Reihe machen aus dem Fall John Forde nun ein plastisches Beispiel für Machtkämpfe, Moralpolitik und persönliche Vergeltung im mittelalterlichen England.
„Zusammengenommen deuten diese Aufzeichnungen auf eine Geschichte von Erpressung, Sex und Rache hin, die die Spannungen zwischen der Kirche und den Eliten Englands offenbart und in der mafiösen Ermordung eines gefallenen Mannes Gottes durch eine Bande mittelalterlicher Auftragsmörder gipfelt“, bilanzierte Kriminologe Eisner und fügte hinzu: „Eine Frau im England des 14. Jahrhunderts, die Klöster überfiel, sich offen dem Erzbischof von Canterbury widersetzte und die Ermordung eines Priesters plante. Ela Fitzpayne scheint viele Dinge gewesen zu sein, darunter auch eine außergewöhnliche Person.“
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